Die Bundesregierung plant nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Sparhaushalt. Auch wenn der Haushalt des Landes Niedersachsen nicht direkt davon betroffen ist, so wird sich die Wirtschaft Niedersachsens auf harte Zeiten gefasst machen müssen. Doch muss sie das wirklich?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen fordert, die Schuldenbremse zunächst für 2024 kurzfristig auszusetzen, und sie anschließend zu reformieren. Dr. Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des DGB Niedersachsen, sagt dazu: „Die Schuldenbremse in der geltenden Verfassung ist gegenüber Investitionen blind. Die allgegenwärtig sichtbare marode öffentliche Infrastruktur ist die direkte Folge der Schuldenbremse! Von Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft ganz zu schweigen. Investitionen müssen und dürfen kreditfinanziert werden dürfen, weil sie Werte schaffen, weil sie das Fundament für private Investitionen bilden. Zudem erhalten und schaffen sie Arbeitsplätze und garantieren somit den Wohlstand von morgen! Wird die Schuldenbremse aber nicht reformiert, bleiben Investitionen aus und wir steuern ungebremst in die Rezession. Die wirtschaftlichen und vor allem sozialen Folgen können unsere gesellschaftliche und politische Stabilität gefährden.“
Payandeh plädiert mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen für eine Versachlichung der Debatte über die Schuldenbremse und fordert alle demokratischen Kräfte auf, gemeinsame Lösungswege zu suchen. „Wir müssen der Klima- und Energiekrise in großen Schritten begegnen. Mit Klein-Klein und Groschenbeträgen kommen wir nicht weiter! Wenn wir die komplette Architektur unserer Wirtschaft, unserer Industrie, unserer Gemeinwesen klimaneutral und sozial gerecht umbauen wollen, dann müssen wir viel Geld in die Hand nehmen und sinnvoll investieren. Deshalb ist es vernünftig, die Schuldenbremse zu reformieren, um die Kreditaufnahme ausschließlich für Investitionen zu ermöglichen. Zumindest müssen wir einen gemeinsamen Konsens herstellen, ähnlich wie im Falle der Bundeswehr, ein Sondervermögen für Zukunftsinvestitionen zu verabreden.“ Zu öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur gehören konkret etwa der Ausbau von Netzinfrastruktur für Wasserstoff und Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität, der Ausbau der Energienetze und Reservekraftwerke oder auch Investitionen in die Bildungsinfrastruktur.
Payandeh mahnt, Sozialausgaben nicht gegen die nötigen Investitionen auszuspielen: „Krisen dürfen nicht auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen werden. Die Schwächsten unserer Gesellschaft haben aktuell genug zu schultern. Wir können Ihnen nicht noch mehr Gepäck aufbürden. Damit sie und unsere gesamte Gesellschaft nicht zusammenbrechen, brauchen wir einen starken Sozialstaat.“ So dürfe die Bundesregierung nun wichtige Projekte wie die Erhöhung des Bürgergeldes und die Einführung der Kindergrundsicherung nicht gefährden. Vorschlägen, wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren gar abzuschaffen, erteilt Payandeh eine deutliche Absage.
Wer fragt, woher das Geld dafür kommen kann, sollte auch das Steuersystem in den Blick nehmen: Payandeh dazu: „Der DGB hat ein Steuerkonzept vorgelegt, das nicht nur gerechter ist als das bisherige, sondern auch die Einnahmebasis des Staates stärkt. “ Laut Berechnungen des DGB könnte der Bund jährlich so 60 Milliarden Euro mehr einnehmen.
Niedersachsen muss sich als wichtiges Bundesland dafür stark machen, dass die Bundesregierung Verantwortung übernimmt. Es muss auch klar sein, dass politische Projekte in Niedersachsen sichergestellt sind, die vom Bund kofinanziert werden. Payandeh sagt: „Sparreflexe könnten unserer Wirtschaft das Genick brechen.“ Die Niedersächsische Landesebene müsse nun genau prüfen, wie sie Investitionen anregen und die Konjunktur beleben kann. „Wir können es uns nicht leisten, den Kampf gegen den Klimawandel auf die lange Bank zu schieben. Die Transformation ist nicht die Marmelade auf dem Brot, sondern das Brot selbst“, so Payandeh.